Tutorial: Bauanleitung Kreuzspindel (Paläo-Spindel)

Es ist schon gut zwei Jahre her, da habe ich bei einer englischsprachigen Spindelbaugruppe bei Ravelry mal den Schnappschuss einer selbstgebauten Kreuzspindel gesehen. In Erinnerung an dieses Foto habe ich mich vor ein paar Wochen endlich daran gemacht, selbst tätig zu werden. Insgeheim nenne ich die Spindel für mich „Paläo-Spindel“. Natürlich habe ich keinerlei Belege dafür, dass solche Spindeln schon im Paläolithikum verwendet wurden.  Aber wenn ich vor mich hin träume, stelle es mir gut möglich vor, da eine solche Kreuzspindel im Grunde ganz leicht mit dem herzustellen ist, was in der Natur greifbar ist. Gräser zum Verbinden, Hölzer, Feuersteinklingen zum Schälen der Rinde, Werkzeuge aus Bein, zum Kerben ritzen und Glätten und Polieren der Holzoberfläche.

Wahrscheinlich würde mich jeder anständige Archäologe für meine laienhaften Vermutungen in den siebten Kreis der Hölle verwünschen. Ich vermute aber, dass man damals eher auf modische Leder- und Pelzmode (und stellenweise verflochtenes/gewebtes Gras) setzte und noch keine Tierhaare (was ja eine Haltung von Herden voraussetzen würde) versponnen wurden. Allerdings – woher sollen wir das so genau wissen? Es gibt nur wenige Steinzeitfunde hierzu und Wolle neigt im Allgemeinen nicht dazu, mal eben 40.000 Jahre in Erde zu überdauern.

Ich wohne ja mitten in Berlin und habe lieber darauf verzichtet, die heimischen Büsche und Sträucher zu plündern. Deswegen habe ich schon zu Ostern (wehe jemand lacht!) meinen Osterstrauß aus Kirschzweigen aufgehoben und auf der Terrasse gut durchtrocknen lassen.

Spinneigenschaften Paläo-Spindel

Kirschholz scheint nur bedingt geeignet, da das Holz relativ leicht ist. Dadurch ist das Spinnen anfangs etwas nervig. Aber je mehr Gewicht die Spindel durch die versponnene Wolle darauf bekommt (schon nach einigen Gramm), desto schöner spinnt sich die Spindel. Wer diese Form der Kreuzspindel nachbaut, sollte evtl. zu schwerem Holz greifen. Oder einfach die minimalen Anfangsprobleme in Kauf nehmen. Der Schaft meiner Spindel ist im oberen Bereich nicht ganz gerade, aber eine Kreuzspindel verzeiht solche kleinen Unperfektheiten locker.

Ich bin inzwischen ganz verliebt in meine selbstgebaute Kreuzspindel. Und – wenn ich ganz ehrlich bin – natürlich auch ziemlich stolz. Je länger ich mich mit ihr befasse, um so hübscher finde ich meine kleine Paläo-Spindel. Und ich finde ihre Spinneigenschaften inzwischen ganz hervorragend, es lässt sich wunderschön gleichmäßiges, dünnes Garn mit ihr spinnen.

Bauanleitung Kreuzspindel

Bitte wertet die angegebenen Maße als Vorschläge, nicht als ehernes Gesetz. Ich habe rumprobiert und so hat es für mich gepasst. Verwendet ihr anderes Holz und habt andere Vorlieben, dann wandelt es bitte einfach dementsprechend ab. Falls jemand die Spindel nachbaut, freue ich mich übrigens sehr über Post und Fotos.
Ich habe das Tutorial zum Selbstbau der Spindel jetzt geschrieben (hier ist übrigens die Anleitung für die türkische Spindel auf englisch), weil ich während der Tour de Fleece damit gesponnen hatte und auf das bei Ravelry veröffentlichte Foto via Privatnachricht einige Nachfrage zur Herstellung bekommen hatte.

Benötigtes Material

Abgelagerte Zweige
(1 Schaft: 28 cm, 7 mm Durchmesser
4 Hölzer für Wirtelarme: 18 cm, Durchmesser: 5,5-6 mm)
Taschenmesser
Schmirgelpapier
schmale Rundfeile
Garnreste
Gartenschere/kleine Säge
Maßband

 Bauanleitung

  • Zweige abmessen und mit der Gartenschere oder der Säge auf die richtige Länge bringen.
  • Das Holz mit dem Taschenmesser entrinden, kleine Zweige entfernen und Unebenheiten wegschnitzen.
  • Mit dem Schmirgelpapier die Hölzer und ihre Enden glätten.
  • Am unteren Ende des Schaftes in 3 cm Höhe mit der Rundfeile je an den gegenüberliegenden Seiten eine ganz leichte Kerbe einfeilen.
  • Gleiches auf 3,5 cm Höhe um 90° versetzt wiederholen. Dies dient dazu, die Arme des Wirtels später besser zu positionieren.
  • Am oberen Ende des Schaftes, auf einer Höhe von 2-3 cm (wer mag, gerne auch weniger) mit dem Messer rund um den Schaft eine Kerbe einritzen und mit der Feile etwas vertiefen. Diese Kerbe ist dafür da, dass während der Spinnens die Garnschlaufe hier einen sicheren Sitz hat.
  • Zwei Wirtelarme an einem Ende mit etwas Garn zusammenbinden, den Schaft dazwischen stecken, und die andere Seite ebenfalls zubinden. Mit den anderen beiden Zweigen ebenso verfahren und die Wirtel über Kreuz in ihren minimalen Kerben positionieren.
  • Fertig & losspinnen. 🙂

 

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Comments: 10

  1. […] I wrote this tutorial because I spun with my selfmade turkish spindle during the Tour de Fleece and got a lot of questions about how I made this beautiful spindle via private messages. For a tutorial in german language look here. […]

  2. distelfliege Juli 20, 2012 at 8:50 pm

    Wenn du dann die Spindel vollgesponnen hast, zieht man ja die Teile auseinander und erhält ein Knäuel. Dazu würdest du theoretisch die Garnwicklungen von den Stäben abmachen und die Spindel vor dem nächsten Gebrauch neu zusammenbinden, seh ich das richtig?

  3. Faserpiratin Juli 21, 2012 at 9:30 am

    Huhu!

    Danke für die Anleitung! Ich spinne ja selten auf der Spindel, aber ich glaube, so eine will ich haben 🙂
    (Und tollen Schmuck hast du – ich steh ja immer auf deine Fotos.)

    Liebe Grüße,
    FP

    P.S.: Ich spiele ja mit dem Gedanken, mir in diesem Herbst mal Berlin anzugucken…

  4. Be||aDonna Juli 21, 2012 at 12:16 pm

    @distelfliege So weit bin ich noch gar nicht gekommen. 🙂 Da dann aber der Schaft weg ist und Raum gibt und alles glatt geschliffen und das Holz ja noch recht flexibel ist, denke ich, dass das auch ohne Auseinanderbauen funktionieren sollte.

    @Fibrepiratess Danke für das Kompliment. 🙂 Falls ich irgendwie zufällig noch an anderes schönes Holz komme, werde ich mir sicher auch noch eine bauen. Ich weiß nicht, ob es am Gewicht liegt oder weil sie anders in der Hand liegt, aber mit meinen anderen Kreuzspindel bekomme ich irgendwann Schmerzen in der rechten Hand, bei dieser hier (noch) nicht.
    Und Besuch im Herbst: Your’re welcome. Angebot steht natürlich noch, ich würd mich wirklich freuen!

  5. Faserpiratin Juli 21, 2012 at 12:56 pm

    Ja, ich überlege, ob ich zum geburtstag der Mädchenmannschaft gehe: http://maedchenmannschaft.net/die-maedchenmannschaft-wird-fuenf-und-wir-feiern-in-berlin/

    Kommt aber auch alles darauf an, ob das mit meinen Jobs klappt und ich das Geld für die Bahnfahrt auf den Kopf hauen kann 🙂
    Wenn ich dann schon mal da bin, würd ich natürlich gerne mit dir Zeit verbringen. Ich melde mich dann ggf. nochmal.

  6. […] Spindel. Für Interessierte: Auf meinem Blog gibt es hierzu eine ausführliche deutschsprachige Bauanleitung für die Kreuzspindel und ein englischsprachiges […]

  7. xyz September 6, 2012 at 9:18 am

    Hi Belladonna,

    deine Theorie zur Paleospindel ist nicht so abwegig, allerdings solltest du dir die Wolle wegdenken. Das Wollschaf gibt es definitiv erst ab dem 4. Jt. v.Chr. 🙂
    Allerdings ist es denkbar, dass Unterhaar von (getöteten) Tieren versponnen wurde. Pflanzliche Fasern sind auch erstaunlich leicht zu erhalten. Wenn du Z.B. Brennnesseln im Etwas verrottenlässt, sie dann trocknest und dann mit den Finger(nägeln) alles holzige entfernst, dann hast du schon Spinnmaterial 😉

    xyz <3

  8. Be||aDonna September 6, 2012 at 11:34 am

    Hall xyz,

    vielen Dank für die Infos mit den Schafen. Nur 4000 Jahre? Meinst du speziell und gezielt auf Wolle gezüchtete Schafe? Und wie sieht es mit Ur-Schafen/den ersten domestizierten Tieren aus?
    Als ich den Text schrieb bin ich gedanklich übrigens irgendwie gar nicht von Schafen ausgegangen, deswegen schreibe ich in der Anleitung ja zuerst von „Tierhaaren“ und dann von „Wolle“ – die ich in dem Zusammenhang nicht unbedingt als allein schafspezifisch sehe. Innerlich schwebte mir da sowas wie zotteliger Moschusochse, Wisentfell oder wolliges Mammut vor. 😉

    Liebe Grüße

  9. […] für meine Paläo-Spindel (Kreuzspindel) und das Tutorial für die turkish spindle nochmals auf […]

  10. […] man sieht, habe ich auch meine geliebte selbstgebaute Paläo-Kreuzspindel reaktiviert, die ich mir vor der letztjährigen Tour de Fleece letztes Jahr selbst aus Kirschzweigen […]

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